Der Packaging Dialog stellte sich in diesem Jahr den extremen Herausforderungen der Zeit. Unter dem Motto „Quo Vadis? Erfolg in stürmischen Zeiten“ ging es am 3. Oktober 2023 um die Zukunft der Verpackung: Gründerin Theresa Imre sprach über den Erfolg ihres Unternehmens markta im Handel, und Pro Carton Director General Horst Bittermann schilderte Gefahren und Möglichkeiten der neuen EU-Verordnung. Mit ihnen am Podium stand Evelyn Wolfslehner vom Klimaministerium. Die Diskussion wurde von Margaretha Jurik vom CASH Handelsmagazin moderiert. Die Preisverleihung zum Carton Austria Award rundete den fulminanten Abend ab.

Noch nie haben sich Marktbedingungen so häufig und rasant geändert wie heute. Es braucht mutige und flexible Unternehmer:innen, die ihre innovativen Ideen auch unter schwierigsten Bedingungen unbeirrbar verfolgen.

Horst Bittermann, Director General von Pro Carton

Auch die Karton- und Faltschachtelindustrie steht am Scheideweg: Die kommende neue Verpackungsverordnung der EU könnte ein über Jahrzehnte erfolgreich aufgebautes Kreislaufsystem gefährden. Es gilt, Recycling und Reuse in ein sinnvolles Verhältnis zu setzen. Es besteht Handlungsbedarf, um eine erfolgreiche Zukunft zu sichern.
Seit über 20 Jahren ist das PROPAK Pro Carton Marketing Event für die Verpackungsindustrie erfolgreicher Bestandteil des Branchenkalenders. In diesem Jahr erhielt das Event einen neuen Namen – Packaging Dialog – und ein eigenes Logo, die den Kern der Veranstaltung ins Auge fassen: Es geht um den Austausch in der gesamten Verpackungs-Supply Chain, auf der Bühne und anschließend beim Networking – in den Bereichen Wirtschaft und Industrie, Forschung und Kommunikation.

Horst Bittermann, Director General von Pro Carton, eröffnete den Abend gemeinsam mit Martin Widermann, Geschäftsführer von PROPAK Austria, mit einem Überblick über die aktuelle Lage. Die anschließenden Vorträge brachten wichtige Erkenntnisse über die Zukunft von Handel und Verpackung.

Martin Widermann, Geschäftsführer von PROPAK Austria.

Theresa Imre, Unternehmerin des Jahres 2021, sprach bei ihrem Vortrag über die Entstehungsgeschichte und Entwicklung von markta, die Herausforderungen im eCommerce-Geschäft und die neuen Anforderungen aufgrund der Eröffnung des ersten „Superbauernmarktes“ in der Wiener Alserstraße 16, dem aktuellen Pilotprojekt des Unternehmens im stationären Handel, vor wenigen Wochen.

Die wirtschaftliche Situation ist für landwirtschaftliche Erzeuger sehr zugespitzt. Allzu lange hat man sich auf große Industrien und billige Preise konzentriert. Dies hat dazu geführt, dass die Zahl der Produzenten allein in den Jahren der Pandemie von 160.000 auf 110.000 zurückgegangen ist. Imre, selbst „ein Kind vom Land“, suchte also eine Antwort auf die Frage, wie die kleinen und mittleren Bauernhöfe in diesem System überleben können.

Die gelernte Volkswirtin gab Einblick in ihre Erfahrungen beim Aufbau eines fairen Lebensmittelsystems für Mensch, Tier und Umwelt seit 2017, eines digitalen Bauernmarktes mit lokaler Nahversorgung, einer Plattform, die Lebensmittel direkt vom Erzeuger zum Konsumenten bringt. Sie ergänzte diese mit Best Practice-Beispielen der Kreislauflogistik von markta, insbesondere den wöchentlichen „Kisterln“, die neuerdings auch in speziellen Varianten für Geschenksendungen und für Business-Kunden zusammengestellt werden. Selbstverständlich ohne Plastik, wo immer es möglich ist.

Jüngste Entwicklung ist die Omni-Channel-Strategie: der Aufbau einer Reihe von Filialen, in denen die Konsumenten auch in direkten Kontakt mit den Produkten und Verpackungssystemen kommen und sich von der Qualität der Lebensmittel überzeugen können. Dort möchte markta auch Hintergrund und Werte noch besser vermitteln. Derzeit sind zehn Filialen geplant.

markta – wir machen die Welt einen Bissen besser
Theresa Imre, Gründerin und Geschäftsführerin von markta

Karton versus Plastik? Die Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR)
Horst Bittermann, Director General Pro Carton

Mit dem aktuellen Entwurf einer Verpackungsverordnung setzt die EU-Kommission darauf, die von Verpackungen und Verpackungsabfällen ausgehenden Umweltwirkungen entlang des gesamten Lebensweges zu mindern. Verpflichtende Reuse-Quoten führen allerdings dazu, dass ein signifikanter Anteil von erneuerbaren und recyclingfähigen Papier- und Kartonverpackungen durch Kunststoff ersetzt wird. Das konterkariert die Hauptziele des EU Green Deals und unterwandert den eingeschlagenen Weg der Dekarbonisierung und der Kreislaufwirtschaft.

Ist das Erfolgsmodell Papierrecycling in Gefahr? Bittermann präsentierte die Sicht der faserbasierten Verpackungsindustrie auf die jüngsten Entwürfe der Verordnung. Er zeigte zahlreiche eklatante Widersprüche und unrealistische Vorschriften im aktuellen Entwurf der Verordnung auf, etwa bei der Single-Use-Beschränkung für Obst und Gemüse, bei der Vorschreibung von wiederverwendbaren Verpackungen für große Haushaltsgeräte oder einem Verbot für Karton-Überverpackungen im Bereich Kosmetik und Hygiene, die die Vermittlung erforderlicher und vorgeschriebener Informationen unmöglich mache. Besonders absurd wäre ein geplantes „Product Loop Recycling“, wenn also eine Cornflakes-Verpackung nur wieder für Cornflakes recycelt werden dürfte: Nur ein „Material Loop“ wäre in solchen Fällen realistisch.

Insgesamt macht der Entwurf einen sehr unfertigen Eindruck, sodass es fraglich ist, ob die Verordnung noch vor den EU-Wahlen im kommenden Sommer fertig wird. Das nährt zwar die Hoffnung, dass es zu besseren Lösungen kommt, macht aber der Industrie derzeit eine längerfristige Planung unmöglich.

Podiumsdiskussion

Den Vorträgen folgte eine spannende Diskussion unter der Leitung von Margaretha Jurik (Chefredakteurin CASH Handelsmagazin) mit Theresa Imre, Horst Bittermann und Evelyn Wolfslehner (Abteilungsleiterin im Klimaschutzministerium). Die verschiedenen Sichtweisen der Diskutanten vermittelten ein hervorragendes Bild der durchaus noch sehr unklaren Lage.

Horst Bittermann war es wichtig zu betonen, dass man Verpackungen nicht als „Abfall“ betrachten darf, sondern in erster Linie als Schutz des Produkts. Er beschrieb die Situation in weniger entwickelten Ländern mit einem kaum ausgeprägten Verpackungssystem, in denen bis zu 50 Prozent der Lebensmittel verloren gehen. Recycling und Reuse müssten in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden, das von Erfahrungen aus der Praxis bestimmt wird. Wichtig wären vor allem klare Regelungen, die bis 2050 gelten.

Theresa Imre machte deutlich, dass markta bei Verpackung und Pfandsystemen Pionier ist und alles selbst entwickeln muss. Recycling und Reuse erreichen in ihrem System Dimensionen, die jede Verpackungsverordnung weit übertreffen. Die „Kistln“ aus Karton lassen sich immerhin bis zu acht Mal wiederverwenden, sie werden zusammen mit den Glasgebinden vollständig zurückgenommen. Holzspäne und Schafwollen polstern und schützen die empfindlichen Produkte. Imre betonte auch die Wichtigkeit von Informationen, gerade weil das System von markta auf Freiwilligkeit und Überzeugungsarbeit beruht.

Das Podium: Evelyn Wolfslehner (Klimaschutzministerium), Theresa Imre (markta),
Margaretha Jurik (CASH Handelsmagazin), Horst Bittermann (Pro Carton)

Mag. Evelyn Wolfslehner, Klimaschutzministerium

Evelyn Wolfslehner, die selbst auch im „Environmental Council“ der EU mitarbeitet, vermittelte einen lebendigen Eindruck von der Entwicklungsfront, wo die verschiedensten Interessen und Vorstellungen aus Rat, Kommission und Parlament aufeinandertreffen und nicht selten verschiedene Entwürfe kursieren. Auch sie sieht noch zahlreiche Ungereimtheiten im aktuellen Entwurf: „Wir befinden uns auf hoher See!“ Vor allem aber möchte Wolfslehner Bewährtes aus 30 Jahren Entwicklung außer Streit stellen, aktuelle Definitionen und Ziele belassen.

Der jetzige Entwurf im gewaltigen Umfang von 130 Seiten unternimmt den Versuch, alles auf einmal zu regeln, was dazu führen würde, dass bestehende Systeme aufgelöst würden und eine Flut von neuen Begleitregelungen klären müsste, wie die einzelnen Bestimmungen zu handhaben seien. Viel besser wäre es, bestehende Regeln und Quoten beizubehalten und sich darauf zu konzentrieren, was für die weitere Entwicklung gebraucht wird – mit klaren Zielsetzungen für neue, noch ungeregelte Bereiche.

Preisverleihung zum Carton Austria Award

Der Carton Austria Award zeichnet heuer zum sechsten Mal die besten österreichischen Faltschachteln auf dem europäischen Markt aus. Ein Publikumsvoting sowie die Jury des CASH Handelsmagazins vergaben die Awards. Margaretha Jurik (CASH Handelsmagazin), Florian Fuchs (Sprecher PROPAK Austria Faltschachtelindustrie) und Horst Bittermann (Pro Carton) überreichten die Preise.

Jury Award:
Birdhouse von Bösmüller aus Karton von WestRock

Public Award:
Recyclay® Espresso Cups von MM Packaging aus Karton von MM Board & Paper
Polygon-Faltschachteln „Lederhaas“ von Bösmüller aus Karton von Stora Enso

Video-Statements

Save the Date: Der nächste Packaging Dialog findet am 8. Oktober 2024 statt, wieder um 17:00 Uhr in der Marx Restauration.

Weitere Informationen:
Suzanne E. McEwen

www.cash.at
www.propak.at
www.procarton.com