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Datum 30. Oktober 2012 / www.procarton.com
Titel Strategisch verpacken mit Packvertising
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„Die Verpackung muss wie eine Art Werbespot im Regal funktionieren, man spricht deshalb auch vom Packvertising. 80 Prozent der Produkte im Supermarkt werden nicht kommunikativ über TV, Plakat oder Anzeigen unterstützt. Hier muss die Verpackung die relevanten und differenzierenden Belohnungen übermitteln“, meint Dr. Christian Scheier, Geschäftsführer der decode Marketingberatung. Pro Carton hat mit ihm gesprochen.

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Wie sehen Sie die Verpackung im Vergleich zu anderen Medien?
Verpackung ist am engsten an der eigentlichen Produkterfahrung, sie hat mitunter den stärksten Effekt auf Erwartungen, die das Produkterlebnis beeinflussen. Ein Beispiel aus der Marketing-Placebo-Forschung: Die gebrandete Verpackung Aspirin beeinflusst Kopfschmerzen positiv, auch wenn die Tablette ein Placebo ist und keine Wirksubstanz hat.

Verpackung ist wie ein TV-Spot im Regal – nur dass man sie häufiger und vor allem unmittelbar vor der Produktnutzung sieht. Verpackung ist zudem multisensorisch, sie kann bei entsprechender Gestaltung über die Sinne Sehen, Hören, Haptik und Duft arbeiten – das ist ein sehr großer Vorteil.

 

Wenn Verpackung gut in Above-the-line-Kommunikation eingebunden ist, kann sie später die im Spot erzählte Geschichte mental re-aktivieren, und dadurch auch die Power von klassischer Werbung auf das Produkt bzw. entsprechende Erwartungen an das Produkt/Produkterlebnis stärken.

Die Verpackung ist nicht nur im Supermarkt wichtig, sondern auch zu Hause. Es zählt also nicht nur der Point of Sale, sondern auch der Point of Action zu Hause. Hier ist die Verpackung bei vielen Produkten in die täglichen Routinen und Rituale mit eingebunden. Sie wirkt wie ein TV-Spot im Bad oder im Kühlschrank, mit sehr hoher Kontaktfrequenz.

 

Wie wirken Verpackungen?
Nicht nur die Placebo-Forschung, sondern auch viele psychologische Experimente zeigen, dass Signale wie die Farbe einer Tablette oder der Nivea-Verpackung keine rein ästhetische Funktion haben, sondern nachhaltig wirken. Verpackungen sind ein wahrnehmbarer und deshalb relevanter Kontext für das Gehirn.

Über die sensorischen Codes und die Handlungen (real oder simuliert) werden mentale Konzepte im Autopiloten aktiviert und die bestimmen das Verhalten, wenn sie zu einem relevanten Ziel der Kunden passen, wenn sie also relevante Belohnungen darstellen. Auch Signale, die für die eigentliche Funktion des Produktes unwichtig erscheinen, können im Autopiloten des Kunden relevante und differenzierende Konzepte aktivieren.

 

Die im Alltag oft gestellte Frage „Welches Design ist besser?“ müssen wir vor dem Hintergrund der Codes und der Ziele durch die Frage „Welches Design ist für das intendierte Ziel das richtige?“ ersetzen. Die Antwort nach Richtig oder Falsch hängt von dem Ziel ab, das die Kunden mit dem Produkt erfüllen wollen. Die Statistik der Umwelt gibt klare und objektive Regeln, ob die Signale das intendierte Ziel adressieren oder nicht.

 

Wie sind die Signale mit den mentalen Konzepten verknüpft?
Durch Erfahrung und implizites Lernen im Autopiloten! Das Gehirn lernt implizit, wann die Produkte in unserer Kultur typischerweise genutzt werden, von wem sie genutzt werden, was wir als Kinder dazu lernen, was die Medien dazu berichten, was wir beobachten oder erzählt bekommen und vieles mehr. Der Autopilot lernt alles, was wiederholt auftritt, er lernt die Statistik der Umwelt. Man spricht hier auch von „Erfahrungswissen“, weil dieses meist implizite Wissen auf unseren täglichen Erfahrungen beruht.

 

Das zugrunde liegende Lernprinzip nennt man „What fires together, wires together“. Nervenzellen, die wiederholt gleichzeitig feuern, verdrahten sich immer stärker. Der Autopilot im Gehirn ist darauf spezialisiert, aus der ganzen Menge an Signalen, die über die Sinne aufgenommen werden, die dahinterliegenden Muster zu erkennen. Dieser Lernvorgang funktioniert dabei völlig implizit. Unser Gehirn speichert, dass uns warm wird, wenn uns unsere Eltern an sich drücken, und dadurch entsteht eine Verbindung aus Nähe und Wärme und führt später dazu, dass wir die warme Suppe wählen, wenn wir soziale Kälte ausgleichen wollen.

 

Die Regeln der Verknüpfung zwischen den Signalen und den mentalen Konzepten werden in der Kindheit angelegt. In den ersten Lebensjahren lernen wir implizit die Regeln unseres Zusammenlebens, und Produkte gehören dazu. Die Codes der Produkte entstehen also sehr früh, weil Produkte in unserem Zusammenleben eine wichtige, auch soziale Rolle spielen.

 

Wie entscheiden wir strategisch über Verpackungsdesign?
Wir müssen die impliziten Codes und ihre Regeln kennen und nutzen. Im privaten Alltag tun wir dies ohnehin. Der intuitive Umgang mit den 10.000 Produkten basiert genau auf diesen Regeln und die Statistik der Umwelt ist der Schlüssel zu diesen Codes. Sie ermöglicht eine objektive und systematische Beurteilung von Signalen und Produkteigenschaften – von der Konsistenz einer Flüssigkeit bis zum Protagonisten im TV-Spot.

Strategische Entscheidungen ersetzen Geschmacksentscheidungen oder Mehrheitsentscheidungen bei Konsumentenbefragungen. Die Evaluation wird klarer, wenn wir das durch die Signale aktivierte mentale Konzept bzw. das Ziel der Kunden als Referenz für die Beurteilung haben, denn durch die Statistik der Umwelt gibt es dann klare und objektive Regeln, ob eine Verpackung das intendierte Ziel, also die Strategie, besser transportiert oder nicht.

 

Wie entwickelt sich die Bedeutung der Verpackung in Zukunft, im Internet-Zeitalter?
Je stärker die Bewegung in Richtung Hightech geht, desto stärker wird auch immer die ausgleichende Tendenz mit dem Wunsch nach „High Touch“, also physische, reale Interfaces zu einer Marke oder einem Produkt. Die Verpackung wird als „High Touch“-Medium entsprechend auch und gerade im Internet-Zeitalter hohe Relevanz haben.


www.decode-online.de

 

Christian Scheier, Dirk Bayas-Linke, Johannes Schneider, Codes. Die geheime Sprache der Produkte, Freiburg 2011

Tres Jolie box Celebrations
Gewinner Volume Market Carton, Pro Carton/ECMA Award 2011: Tres Jolie box Celebrations

 

 

   
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Informationen
Suzanne McEwen +43 676 424 46 37 mcewen@procarton.com
Hintergrund Pro Carton ist die Europäische Vereinigung der Karton- und Faltschachtelindustrie mit dem Ziel, Karton und Faltschachtel als ökonomisch und ökologisch ausgewogenes Verpackungsmedium zu fördern, sowohl in der Markenartikelindustrie und im Handel als auch bei Design, Medien und Politik.