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Bei der Neuen
Normalität geht es um alles, was wir "digital" nennen. Die kommenden
zehn, zwanzig und dreißig Jahre werden von einer immer weiter wachsenden
digitalen Welt und Gesellschaft gekennzeichnet sein. Und das wird
einige grundlegende Veränderungen in unserem Verhalten und unserer
Anpassung an die Technik zur Folge haben. Justin Rattner, Vice President
und Chief Technology Officer bei Intel: "Die kommenden vierzig Jahre
werden Sie umhauen und die vergangenen vierzig Jahre ziemlich zahm
aussehen lassen."
Digital ist ab sofort die Norm. Analog ist heute schon das
Spezielle. In der Neuen Normalität ist Technik selbstverständlich, und
man wird sich auf andere Stärken seiner Organisation konzentrieren
müssen, will man sich abheben. Diese Veränderungen betreffen nicht den
IT-Bereich, sondern das Geschäftsmodell. Die Grundfrage ist: "Kann unser
Produkt oder unsere Dienstleistung digitalisiert werden?"
Die Zukunft lässt sich nach Hinssen unter anderem durch folgende Thesen charakterisieren:
- Null Toleranz für digitales Versagen
Die Benutzer verstehen die Möglichkeiten und die
Perfektionierbarkeit der digitalen Welt und verlangen deshalb, dass
digitale Angebote zu 100 Prozent verlässlich sind. Ohne das Digitale
können wir kaum noch leben, es muss ständig verfügbar sein und
funktionieren. Je mehr wir vom Digitalen abhängen, desto weniger können
wir es uns leisten, dass es versagt. In der Neuen Normalität ist
digitales Versagen nicht einfach unbequem, es ist beängstigend.
- Gut genug schlägt perfekt
Geschwindigkeit, Einfachheit und Verfügbarkeit werden in der
Neuen Normalität wichtiger als Perfektion. Mit anderen Worten:
Willkommen im Zeitalter der ausreichend guten Technologie. Perfektion
ist der Feind des Guten, vor allem, wenn dieses billiger, schneller oder
bequemer ist. Eine der Enttäuschungen der Konsumelektronik war die
schwache Performance von Blu-ray. Der Grund ist einfach: Für die meisten
Menschen ist die DVD gut genug.
- Das Zeitalter vollständiger Zurechenbarkeit
Die Werbewirtschaft hat nicht nur eine Möglichkeit gefunden,
von der Ausrichtung auf die Masse zum One-to-One-Marketing zu kommen,
sie kann jetzt auch die Wirkung messen. Das Internet ist ein
Massenmedium, aber es ermöglicht den Unternehmen auch, nahezu
maßgeschneiderte Interaktionen und Dialoge mit ihren Kunden zu führen.
Die Vorteile sind gewaltig: Für einen Werber ist es viel wertvoller,
einen möglichen Interessierten zu erreichen, als 99 andere zu
belästigen. Das Feedback kommt umgehend. Man startet eine Werbekampagne
auf einer Website und kann sofort sehen, wie viele Menschen auf das
Banner klicken, sich auf einen Dialog einlassen und sich den Inhalten
öffnen. Alles ist digital und alles ist messbar. Dazu Roland Rex: "Die
Verpackung kann hier Entscheidendes beitragen. Das Marketing lädt die
Verpackung mit Leistungen auf, die zu unmittelbarer Messbarkeit führen –
über QR- und andere Codes."
- Das Ende der absoluten Kontrolle
Die Organigramme werden flacher. Wikipedia ist Bottom-up,
Facebook ist von Gleich zu Gleich. Und Maschinen können mit einer
wachsenden Zahl von begrenzten Aufgaben effizienter umgehen als
Menschen. Die Neue Normalität ist die Zeit fürs Loslassen. In ihrer Welt
gedeiht das Handeln von unten nach oben. Nach einer in der
Wissenschaftszeitschrift "Nature" 2005 veröffentlichten Untersuchung
sind Artikel in Wikipedia fast genauso korrekt wie vergleichbare in der
Encyclopaedia Britannica. Wikipedia ist ein weiteres Beispiel für
ausreichend gute Technologie im Wissensbereich. In der Neuen Normalität
müssen wir uns vom absoluten Kontrolldenken verabschieden. Das gilt für
Unternehmen, Konsumenten, Angestellte oder die eigenen Erfahrungen in
gleichem Maße.
- Nicht Content, Kontakt ist King
Millionen von Menschen begnügen sich nicht mehr mit der Rolle
von Informationsempfängern, sie erzeugen selbst Content und verteilen
ihn auch. In der Neuen Normalität gibt es Hunderte Millionen von
Content-Produzenten. Die Kunden wollen nach wie vor wie Könige behandelt
werden, aber sie schätzen vor allem die Qualität der Beziehungen zu
einem Unternehmen oder einer Marke. Der Name des Spiels ist Kontakt. Im
Zeitalter des "Du" ist die Aufmerksamkeit der Konsumenten der
wertvollste Rohstoff. Die Art, wie ein Unternehmen kommuniziert, wie es
antwortet, wie es den Dialog führt, wird der entscheidende Faktor für
die Wahrnehmung und Bewertung durch die Konsumenten sein.
Wir glauben fälschlicher Weise, dass die Digitalisierung der
Kundenbeziehungen einfach ein leichter Weg zu besserem Service ist, weil
der Dialog für die Kunden leichter, schneller und bequemer wird. Das
ist nur ein Teil der Wahrheit. Die Kunden erwarten nicht nur, dass sie
mit einem Unternehmen auf Wunsch kommunizieren können, sie erwarten
auch, dass die digitale Erfahrung nahtlos und interessant wird. Jeff
Bezos, Gründer und CEO von Amazon, meint dazu: "Wir sehen unsere Kunden
als geladene Gäste auf einer Party, und wir sind die Gastgeber." Um in
der Neuen Normalität zu überleben, muss man sich darüber klar sein, dass
jeder einzelne Konsument in seiner eigenen, maßgeschneiderten Welt
lebt.
Lange Zeit haben wir das Pareto-Prinzip – die 80-zu-20-Regel –
befolgt, uns auf jene Kunden konzentriert, die 80 Prozent der Umsätze
generieren, und den Rest vernachlässigt. In der Neuen Normalität gilt
dies nicht mehr; auch wenn die 80 Prozent leicht erreichbar sind, machen
die übrigen 20 Prozent – der "Tail", die Möglichkeit, Nischenmärkte
anzusprechen – den Unterschied aus. Dort findet man die Kunden, die zu
treuen Anhängern einer Organisation werden, wenn man sie gut behandelt.
Um in der "Neuen Normalität" Erfolg zu haben , sagt Hinssen, müssen Sie für Ihr Unternehmen folgende Fragen beantworten können:
- Welche Strategie verfolgen Sie für digitale Loyalität?
- Wie erreichen Sie, dass sich die Kunden beteiligen?
- Wie kommen Sie von Inhalten zu Serviceleistungen?
- Wie strukturieren Sie den Dialog mit verschiedenen Kundengruppen?
- Wie lautet Ihre Strategie für die 20 Prozent?
Noch einmal Roland Rex: "Die Faltschachtel eignet sich
besonders gut als 'Dialogpartnerin' mit allen Zielgruppen, weil Karton
von den Möglichkeiten der Oberflächengestaltung her die beste
Präsentationsplattform unter allen Materialien bietet. Außerdem gehören
Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz besonders bei der Faltschachtel
ebenso zur ,Neuen Normalität' wie alles Digitale."
Source: Peter Hinssen, The New Normal. Explore the Limits of the Digital World. Mach Media, Gent 2012 |
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